Offener Brief an den Bürgermeister und die Fraktionen der Stadt Velbert

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Lukrafka,

sehr geehrte Mitglieder des Rates und der Velberter Fraktionen,

die Entscheidungen, die Sie als gewählte Vertreterinnen und Vertreter unserer Stadt treffen und bereits getroffen haben, prägen das Gesicht und die Zukunft von Velbert in erheblichem Maße. Seit Jahren stehen Sie vor keiner leichten Aufgabe. Debatten über Ausgaben für kostenlosen ÖPNV und Kreisverkehr-Geysire werden woanders geführt, während hier die Haushaltskasse so leergefegt ist wie die bedauernswerte StadtGalerie. Sie investieren Ihre Zeit und Energie, versuchen zu retten, was zu retten ist und treffen im langen Schatten des Milliarden-Schuldenbergs des Stadtkonzerns verzweifelte Beschlüsse über die Wiedereinführung von KITA-Beiträgen, die Anhebung der Grundsteuer B und des Gewerbesteuerhebesatzes. Der einzige Lichtblick in der Misere: Das geplante Gewerbegebiet an der Langenberger Straße, steigende Gewerbesteuereinnahmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen inklusive – so die Vision.

Am Dienstag ist es soweit. Die erneute Abstimmung über den Bebauungsplan Nr. 761 – Große Feld steht auf der Agenda der Ratssitzung. In Ihrer Fraktion sind die Würfel längst gefallen. Und Sie, sehr geehrte Ratsmitglieder, dürfen erneut Ihre Stimme abgeben. Die Bürgerinnen und Bürger sollen diesmal nicht beteiligt werden. Dazu bestehe keine gesetzliche Verpflichtung und am Bebauungsplan habe sich seit dem letzten Beschluss inhaltlich nichts geändert, lautet die Begründung.

Geändert hat sich seit der ersten Planung und Ihrem letzten Beschluss jedoch etliches massiv und einschneidend: Eine Pandemie, ein zurzeit noch sogenanntes Jahrhunderthochwasser, zwei grausame Kriege und eine Wirtschafts- und Baukrise später, treffen Sie sich inmitten der fortschreitenden Klimakrise am Dienstag im Saal Velbert, um zur Tagesordnung überzugehen. Die Welt, die Rahmenbedingungen, die Voraussetzungen für den Bebauungsplan sind andere als bei der letzten Abstimmung. Evolutionstheoretisch keine gute Idee, gilt schließlich immer noch das darwinsche Prinzip, dass die am besten angepassten Individuen überleben.

Eine Neubewertung des Vorhabens ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Wäre sie aber nicht vernünftig und angemessen?

Sehr geehrte Ratsmitglieder, wir stehen an einem Punkt, an dem Fehlentscheidungen nicht mehr ausgebügelt werden können – weder ökonomisch, noch ökologisch. Sie kennen die Fakten. Zweifellos hat das Baudezernat sauber gearbeitet. Zweifelhaft bleibt, ob die unverbindlichen Prüfvorschläge der Verwaltung verbindlich in den Plan eingearbeitet werden sollten. Zweifellos sind die Erschließungskosten seit der ersten Kalkulation bereits auf das Doppelte gestiegen. Zweifelhaft bleibt, wie hoch die Kosten nach den ersten Spatenstichen noch steigen werden. Zweifellos werden die Velberter Bürgerinnen und Bürger anteilig für die Erschließungs- und Unterhaltungskosten aufkommen und über Gebühren refinanzieren müssen. Zweifelhaft bleibt, ob die Nicht-Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zum jetzigen Zeitpunkt die zunehmende Politikverdrossenheit fördert.
Sehr geehrte Ratsmitglieder, vielleicht werden Velberter Unternehmen trotz der wirtschaftlichen Lage, trotz der hohen Investitionskosten und trotz der gegebenen Baurisiken auf die Fläche ziehen. Klar ist, dass diese Unternehmen dann ihre Investitionskosten über Jahrzehnte abschreiben und somit auf lange Sicht entsprechend weniger Gewerbesteuern von diesen Unternehmen zu erwarten sind. Klar dürfte auch sein, dass auswärtige Unternehmen auf Standortsuche sich auch in den umliegenden Kommunen umschauen werden.

Denken Sie wirklich, dass dieser Bebauungsplan auf Bergischem Hügelland der einzige Lichtblick ist, den Velbert zu bieten hat? Gerade jetzt, während der aktuellen Konjunkturflaute, wäre Gelegenheit zur Neubetrachtung: Was macht Velbert aus? Was macht unsere Stadt einzigartig und besonders?

Gerade jetzt ist es Zeit für eine mutige 180-Grad-Kehrtwende – eine Wende nach vorne!

Unsere Forderungen

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Lukrafka, sehr geehrte Ratsmitglieder,

wir bitten Sie,

  • Mut zu beweisen und für eine, den Umständen angemessene, erneute Bürgerbeteiligung im Planverfahren Nr. 761 – über die gesetzliche Norm hinaus – zu stimmen,
  • den Bebauungsplan Nr. 761 – Große Feld/Langenberger Straße zu überdenken und ihm in seiner aktuellen Form nicht zuzustimmen
  • zukunftsorientierte und innovative Alternativ-Konzepte zur Wirtschaftsförderung zu entwickeln,
  • die an Sie herangetragenen Zweifel bezüglich des Bauvorhabens an der Langenberger Straße ernst zu nehmen und
  • mit Ihrer Stimme Verantwortung zu übernehmen, die über Fraktionstreue hinausreicht.

Sehr geehrte Ratsmitglieder, sicher braucht es Mut, vorgegebene Pfade zu verlassen und Neuland zu betreten. Seien Sie mutig und nutzen Sie das Potenzial der wunderbaren Velberter Bürgerinnen und Bürger, um gemeinsam mit Ihnen Lösungen und Wege zu finden, die sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch sinnvoll sind. Haben Sie den Mut für weitsichtige und zukunftsorientierte Entscheidungen, die das Wohl unserer Stadt und ihrer Bewohner langfristig im Blick haben.

Mit freundlichen Grüßen
Bürgerinitiative Große Feld Velbert e. V.
– der Vorstand