Abwasserbeseitigung Große Feld – wann, wie teuer, wer bezahlt es?

Abwasserbeseitigung Große Feld – wann, wie teuer, wer bezahlt es?

Zwei Abflussrichtungen – doppelter Aufwand

Zwei Abflussrichtungen – doppelter Aufwand

Das geplante Gebiet liegt auf einer Wasserscheide. Das bedeutet: Ein Teil des Regenwassers fließt nach Osten in den Dellwigbach, der andere Teil nach Westen in die Bleibergbeeke. Die Regenrückhalte/-klärbecken sowie Pumpwerke sind daher zweimal zu errichten.

Das vom Verwaltungsrat der Technischen Betriebe Velbert (TBV) im Juni 2025 beschlossene Abwasserbeseitigungskonzept (ABK) 2026-2031 weist aus, dass die Maßnahme 5.00.21 „B-Plan 761 – Große Feld/ Langenberger Straße“ 16,99 Mio. € kostet.  Es listet für das Plangebiet 2 Regenklärbecken, 2 Regenrückhaltebecken und 2 Pumpwerke als Sonderbauwerke auf. Mit dem Bau der abwassertechnischen Erschließung soll laut Beschluss erst nach 2032 begonnen werden.

Unsere Analyse und Einschätzung zur Geländeneigung und Geländeeignung, haben wir hier näher beschrieben.

Neues Großprojekt trotz offener Abwasserprojekte – Rückstand wächst

Betrachtet man die vergangenen Abwasserbeseitigungskonzepte der Stadt Velbert, zeigt sich ein deutliches Muster: Es wird regelmäßig weit weniger umgesetzt als geplant.

  • ABK 2014–2019: Geplant waren 6,3 Mio. € pro Jahr, realisiert wurden im Schnitt 3,8 Mio. €.

  • ABK 2020–2025: Geplant waren 9,0 Mio. € pro Jahr, umgesetzt wurden durchschnittlich 4,0 Mio. €.

Die Folge ist ein wachsender Maßnahmenstau: Statt sechs Einleitungsstellen wie im laufenden Zeitraum sind im nächsten Planungszeitraum bereits 13 Einleitungsstellen mit Gesamtkosten von 15,1 Mio. € vorgesehen. Für viele davon laufen die Genehmigungen bald aus.

Angesichts dieses Vollzugsdefizites ist nicht zu erwarten, dass die Aufsichtsbehörden es akzeptieren werden, die Erschließung des Große Feld vorzuziehen und illegale Einleitungen zuzulassen.

KURZ ERKLÄRT: ABK, EINLEITUNGSSTELLEN UND KALKULATORISCHE KOSTEN

In einem Abwasserbeseitigungskonzept (ABK) legen die Kommunen für sechs Jahre fest, welche Maßnahmen mit welchen Kosten und welcher zeitlichen Abfolge durchgeführt werden sollen.

Einleitungsstellen sind die Punkte, an denen Regenwasser oder Mischwasser aus dem Kanalnetz – gereinigt oder ungereinigt – in ein oberirdisches Gewässer eingeleitet wird. Jede dieser Stellen bedarf einer wasserrechtlichen Genehmigung, in der unter anderem zulässige Mengen, Qualitätsanforderungen und technische Standards festgelegt sind.

Als kalkulatorische Kosten bezeichnet man die Abschreibungen und eine angemessene Verzinsung des Anlagekapitals, die den Großteil der über Abwassergebühren refinanzierten Kosten darstellen. Die Kosten der Abwasserkanäle werden über 60 Jahre und die der Sonderbauwerke über 30 Jahre nach dem sog. Wiederbeschaffungs-zeitwert abgeschrieben. Das soll sicherstellen, dass nach dem Ende des Abschreibungszeitraumes das Bauwerk zu den dann geltenden Baupreisen wieder gebaut werden kann. Zudem werden die Zinskosten in die Gebühren eingestellt. Der Zinssatz, den die TBV bei der Gebührenberechnung anwenden darf, ergibt sich aus dem 30-jährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten.

Kosten und Gebühren

Mit rd. 17 Mio. € für Erschließungskosten Abwasser hat sich die Kostenschätzung der TBV seit 2017 genau verdoppelt. Seinerzeit wurde 3,1 Mio. € für Sonderbauwerke und 5,4 Mio. € für Kanäle angegeben. Nur rd. 1,5 Mio. € können über Kanalanschlussbeiträge gedeckt werden.

Rd. 15,5 Mio. € werden so über Gebühren von allen Gebührenzahlern, Haushalten und Betrieben, refinanziert werden müssen.

Neben den Abschreibungen (siehe Kasten) werden die Zinskosten in die Gebühren eingestellt. Bei 15 Mio. € Restbuchwert und 2,76 % kalk. Zinssatz sind das aktuell rd. 414.000 €/Jahr .

Diese „kalkulatorischen Kosten“, also die jährliche Zusatzbelastung der Gebührenzahler, wurde 2017 mit 715 T€/a angegeben. Da sollte die Erschließung aber noch 8,5 Mio. € weniger kosten.

Finanzierung durch die TBV

Der kalkulatorische Zinssatz, den die TBV bei der Gebührenberechnung anwenden darf, lag im Jahr 2017 bei 6,51 %. Durch die Zinsdifferenz (2017: 0,4% also über 6 Prozentpunkte Unterschied) gab es da noch einen starken finanziellen Anreiz für die Technischen Betriebe, das Gewerbegebiet zu erschließen. Dieser Anreiz ist aber weggefallen. Im Jahr 2025 liegt der kalkulatorische Zinssatz bei 2,76%.

Wenn der durchschnittliche Zinssatz in den kommenden 10 Jahren 2,5% ist, sinkt der zulässige kalkulatorische Zinssatz unter 2%, ist er 2% sinkt der kalkulatorische Zinssatz unter 1,8 %. Das zeigt, dass die Erschließung des Große Feld, nicht nur für alle Gebührenzahler*innen, sondern auch für die TBV zu einer finanziellen Belastung werden kann.

In der Vergangenheit haben die TBV enorm durch hohe kalkulatorischen Zinsen profitiert. Durch extrem niedrige, 2019-2021 gar negative, Zinssätze wird sich dies aber auf absehbare Zeit umkehren. Daher ist es auch unter diesem Aspekt angebracht, in den Bestand zu reinvestieren und das Kanalnetz nicht unnötig auszuweiten. Alles andere bedeutet dauerhaft hohe Belastungen für die Gebührenzahler.