Gemeinsame Stellungnahme des BUND, NABU und LNU zur Umwandlung und Bebauung Große Feld

Diese Stellungnahme wurde unter Mitwirkung und in Absprache mit den Vertretern des NABU und der LNU geschrieben und im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Stadt Velbert eingereicht.

„Wir bemängeln den unverhältnismäßigen bzw. aus unserer Sicht unverantwortlichen Umgang mit dem Schutzgut „Fläche“. Wir lehnen die in der FNP-Änderung dargestellte Erweiterung und den B-Plan ab.“

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND),
Kreisgruppe Mettmann

i. A. Götz-Reinhardt Lederer

Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU),
Ortsgruppe Velbert

i. A. Frank Todt

Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt e.V. (LNU),
Kreis Mettmann

i. A. Martina Ruthardt

1) FLÄCHENVERBRAUCH

Täglich werden in Deutschland rund 62 Hektar als Siedlungsflächen und Verkehrsflächen neu ausgewiesen. Bis zum Jahr 2030 will die Bundesregierung den Flächenverbrauch auf unter 30 Hektar pro Tag verringern. Diese gegenüber der Nachhaltigkeitsstrategie von 2002 verschärfte Festlegung wurde vom Bundeskabinett im Januar 2017 in der „Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie – Neuauflage 2016“ festgelegt. Im Klimaschutzplan vom November 2016 strebt die Bundesregierung bis 2050 sogar das Flächenverbrauchsziel Netto-Null (Flächenkreislaufwirtschaft) an, womit sie eine Zielsetzung der Europäischen Kommission aufgegriffen hat (www.bmu.de, 15.1.2019).

Aus dem Diagramm ergibt sich eine durchschnittliche Zahl über 90 ha für die Jahre 2001 bis 2011 und für die Jahre bis 2030 durchschnittlich ca. 45 ha.

Die Stadt Velbert hat in der Begründung den Durchschnittsverbrauch in Velbert in den Jahren 2001 bis 2011 sich für den zukünftige Flächenbedarf mit 2,6 ha/a den Flächenbedarf zwischen 2001 bis 2009 zugrundelegt (siehe Begründung 8. Änderung des Flächennutzungsplanes Große Feld / Langenberger Straße Anmerkung Seite 3).

Dies entspricht damit dem doppelten Wert des angestrebten bundesweiten Ziels. Auch wenn die Landesregierung momentan die Flächenziele aufgegeben hat, gelten sie bundesweit weiterhin.

Kommunen sind also verpflichtet, flächensparend zu planen und zu bauen. Das würde etwa eine Halbierung der berechneten Flächen bedeuten.

Flächenentwicklung in Velbert in den letzten 20 Jahren (IT NRW–LDB 31.12.1995-31.12.2015)

Siedlungs-und Verkehrsfläche: 277695 ar –240261 ar = 37434 ar = 374 ha pro Jahr 18,7 ha! Das hat auch mit den Preisen für Gewerbeflächen in Velbert von 40 bis 80 €/m² zu tun.

In Ratingen liegen die Preise bei 100 –650 €/m² (boris.nrw.de 2018)!

2) WIRTSCHAFT UND ARBEITSPLÄTZE

Auf Seite 4 der Begründung steht: „Aufgrund der Velberter Wirtschaftsstruktur ist es aber unbedingt erforderlich auch Flächen zu entwickeln, an denen die Standortvoraussetzungen für stärker emittierende Betriebe gegeben sind.“

Auf Seite 8 wird aber eingeräumt, dass die Fläche westlich angrenzend an das Gewerbegebiet im Flächennutzungsplan der Stadt Velbert bereits als Wohnbaufläche dargestellt ist.

In den Jahren 1999 -2009 hat im produzierenden Gewerbe die Zahl der Beschäftigten um 4921 abgenommen (Gewerbe-und Industrieflächen Konzept Kreis Mettmann Seite 287). Bei einem durchschnittlichen Flächenbedarf von 225 m²/ Person hat sich der Flächenbedarf dadurch um 110 ha verringert (Gewerbe-und Industrieflächen Konzept Kreis Mettmann Seite 11)!

Dies führt natürlich nicht dazu, dass die Firmen direkt diese Flächen freigeben können. Über einen Zeitraum von mittlerweile 20 Jahren müsste sich die Abnahme der Beschäftigten aber auch in einer deutlichen Abnahme der benötigten Fläche niederschlagen! Wenn Velbert also im Bereich produzierendes Gewerbe immer noch unberührtes Land verbraucht, ist etwas bei der Wiedernutzung versäumt worden. Danach hat die Anzahl der Beschäftigten im produzierenden Gewerbe nicht mehr zugenommen. Man kann ja nicht sagen, dass in Velbert keine Betriebe existieren. So hat in den letzten 5 Jahren die Zahl der Einpendler um 1000 zugenommen (Landesamt für Statistik; Anhang 1). Diese würden ja kaum ohne Arbeitsplatzangebot in Velbert einpendeln. Auch die Anzahl der Beschäftigten ist in den letzten 5 Jahren um 1300 angestiegen. Allerdings vor allem im Dienstleistungsgewerbe (Landesamt für Statistik; Anhang 2).

Die Entwicklung weg von dem produzierenden Gewerbe kann für Velbert nur begrüßt werden.

3) BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG

Momentan scheint der Bevölkerungsschwund in Velbert gestoppt. Es ist aber festzustellen, dass die Stadt im Jahre 2017 4000 Einwohner weniger hatte als im Jahr 2007, und das, obwohl in den Jahren 2014 und 2015 über 1000 Flüchtlinge nach Velbert gekommen sind! Die Zahl der Sterbenden liegt jährlich bei 300 Personen über der Anzahl der Geburten [Landesamt für Statistik; Anhang 3]. Aus den Nachbarstädten Essen, Bochum, Wuppertal, Heiligenhaus und Wülfrath ist kein großer Zustrom zu erwarten, da auch die Bevölkerungszahl dieser Städte (außer Essen) abgenommen haben.

[IT.NRW, Bevölkerungsstand und -bewegung nach Geschlecht (ab 1977) Gemeinden-Jahr]

4) LANDWIRTSCHAFTLICHE FLÄCHE

Bauleitpläne sollen nach § 1 Abs. 5 BauGB eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen sichern. Als eine Auswirkung des Flächenverbauchs sei hier nur die schwindende landwirtschaftliche Fläche erwähnt. Allein in NRW sind in den letzten 20 Jahren jährlich jeweils 60 km² landwirtschaftliche Fläche verschwunden, insgesamt also 1200 km². Eine Fläche, die dreimal so groß ist wie der Kreis Mettmann! Dies ist nicht nur, aber vor allem auf unseren übermäßigen Flächenverbrauch zurückzuführen.

Um eine landwirtschaftliche Fläche von ca. 27 ha zu an der Langenberger Straße zu verbrauchen, bedarf es mehr als die vage Hoffnung, in Zukunft mehr Betriebe ansiedeln zu können. Die Flächenentwicklung in Velbert in den letzten 20 Jahren (31.12.1995-31.12.2015) ist keineswegs eine positive Ausnahme.

Besondere Auswirkungen zeigen sich bei der landwirtschaftlichen Fläche in Velbert
335723 ar –282215 ar = 53503 ar = 535 ha also 26,7 ha/a.

5) KLIMAFOLGEN

In der Erläuterung lautet es: „Die Kaltluft fließt aber reliefbedingt nach Süden bzw. Südwesten und Südostenin den unbelasteten Freiraum ab und erlangt allenfalls geringe stadtklimatische Bedeutung für dienordwestlich befindlichen Gewerbe-und Industrieflächen.“

Und: „Eine besondere Leistungsfähigkeit des Plangebietes hinsichtlich eines klimatisch-lufthygienischenAusgleiches in angrenzenden Siedlungsflächen ist somit nicht erkennbar.“

Dies ist so nicht richtig, da im Sommer der Wind zu über 30% aus Ost und Südrichtung kommt und damit für die Innenstadt einen wesentliche Verbesserung gerade in besonders heißen Tagen bedeuten kann, die in Zukunft sicher noch zunehmen werden(https://weatherspark.com).

6) STARKREGENEREIGNISSE

In diesem Jahr sind Starkregenereignisse mit 20 bis 40 Liter Regen pro Quadratmeteraufgetreten, wie der Deutsche Wetterdienst in Essen mitteilte. Punktuell seien es sogar 60 bis 80 Liter gewesen. Bei 250.000 m² versiegelter Fläche wären das im Extremfall 20.000 m³ Wasser. ZumVergleich: RRB Sambeck in Langenberg 4.400 m³ [WAZ 31.03.2018)]. Das heißt dann wahrscheinlich Langenberg unter Wasser.

7) ARTENSCHUTZ

Die faunistischen Untersuchungen erbrachten den Nachweis von einigen Brutplätzen (planungsrelevanter Arten) i. S. von Fortpflanzungs-und Ruhestätten im unmittelbaren Umfeld des Plangebietes (Acker). Zwar werden diese nicht durch direkte Inanspruchnahme vorhabenbedingt zerstört, d. h. die Bäume oder Häuser bleiben erhalten, jedoch dienen Offenland bzw. landwirtschaftlich genutzte Flächen oder deren Randbereich arttypischer Weise diesen Arten (hier Mehl-, Rauchschwalbe, Turmfalke, Waldkauz, ggf. Mäusebussard) als Nahrungshabitat. Es fällt auf, dass dieser Aspekt bzw. der vorhabenbedingte Verlust eines Teils der um die hier nachgewiesenen Brutplätze liegenden Jagdgebiete nicht weiter betrachtet wird. Er kann jedoch eine Störung im Sinne des §44 Abs.1 (2: Störungen bei Fortpflanzung,Aufzucht,…..) und ggf. eine Schädigung einer Fortpflanzungsstätte i. S. des Verbots der Zerstörung (§ 44 Abs. 1 (3) ) darstellen.

Leider geht aus den Unterlagen auch nicht hervor, wann der dort erwähnte Horst des Mäusebussard, der in einer Entfernung von unter 100 m (Horstschutzzone!) zum Plangebiet liegt, zuletzt besetzt war, denn auch danach gilt er noch einige Jahre (i.d. R 5) als gesetzlich geschützte Fortpflanzungs-und Ruhestätte.

Außerdem sind im Hinblick auf die ökologische Funktion der Plangebiets- bzw. Ackerflächen kumulierende Auswirkungen zu beachten, nämlich Verlust offener Kulturlandschaft durch weitere Planungen in Velbert (s. Abb.3ASP). Dazu wird in der Begründung auf LBP/ Artenschutzprüfung verwiesen, dort dann jedoch nicht genauer behandelt bzw. für uns nicht nachvollziehbar negiert. Auch die negativen Auswirkungen auf umliegende wertvollere Biotope bzw. deren ökologische Funktion (das ältere Feldgehölz im Plangebiet, ältere Hoflagen mit Gärten,Grünland und Gebäuden) für Fauna und Flora allgemein wird nicht nachvollziehbar ausgeschlossen -sowohl für nachgewiesene planungsrelevante als auch besonders bzw. nach Eingriffsregelung geschützte Arten. Es fehlen Forderungen bzw. Festsetzung von bestimmter Beleuchtung (keine weite horizontale Abstrahlung, insektenfreundliche Leuchtmittel etc.) oder zur Vermeidung von Vogelschlag an Baukörpern.

8) ALTERNATIVEN

Es ist als Begründung für das Gewerbegebiet angeführt worden, dass für große (>1 ha) und stärker emittierende Betriebe Gewerbeflächen benötigt würden. Es böten sich hier die Alternativ-GIB-Reserveflächen 16.0.1 und 16.0.2 mit 8 ha an (Anlage 1 Reserveflächen FNP 2020).

9) WALD UND GRÜN

Der wohl v.a. aus Gründen des Landschaftsbildes geplante Waldstreifen am Südrand des Plangebietes und ein Ausgleich über externe Maßnahmen der Auengestaltung (Ökopunkte-Konto) sind in mehrfacher Hinsicht nicht zielführend:

1. geht Offenland und nicht Wald verloren,

2. stellt er zukünftig den Schluss eines Querriegel dar in der Landschaft südlich der Langenberger Straße, wo Gehölzzüge v. a. in Nord-Süd-Richtung verlaufen (Auswirkung auf Klima, Luftabfluss (s. S. 27 LBP).

10) STELLUNGNAHMEN

  • BI Großes Feld: Die Aussagen der gutachterliche Stellungnahme „Geopotenziale und Georisiken auf dem Großen Feld in Velbert“ (Bürgerinitiative Große Feld, Bleiberg 62, 42551 Velbert) sind durch die punktuellen Bodenuntersuchungen nicht widerlegt worden.
  • Landwirtschaftskammer: Die im Freiraum liegenden, von der Landwirtschaft genutzten Flächen sollen, als wesentliche Grundlage für die Produktion von Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen erhalten werden. Wertvolle landwirtschaftliche Böden mit besonders hoher natürlicher Bodenfruchtbarkeit oder besonderer Eignung für eine landwirtschaftliche Nutzung sollen für Siedlungs und Verkehrszwecke nicht in Anspruch genommen werden. Die Stellungnahme der Landwirtschaftskammer ist unseres Erachtens zu wenig berücksichtigt worden. Für das Schicksal des erwähnten Landwirts gibt es keine Lösung in der Erläuterung.
  • Untere Bodenschutzbehörde: Etwa 6 ha der Böden innerhalb der Baugrenzen im Plangebiet würden gemäß der aggregiertenBodenfunktionskarte des Kreises Mettmann als Bodenvorranggebiet eingestuft und geltendamit als besonders schutzwürdig.

Als letzte Möglichkeit, die Ansprüche von Stadt und Landwirtschaft zu befriedigen, böte sich noch an, wenigstens auf die 14,5 ha Erweiterung zu verzichten, wie es ja schon einmal vorgesehen war. Damit wären wenigstens die besten Böden für die Landwirtschaft erhalten: